Wenn ich meiner kleinen Tochter zuschaue, bewundere ich oft, wie sehr sie mitten im Moment lebt. Was gestern war, ist egal, was morgen kommt, noch viel mehr. Selbst der tränenreiche Streit fünf Minuten vorher ist schon vergessen. Bewundernswert, oder? Und beim Zusehen merke ich aber dann schon wieder, wie meine Gedanken abschweifen…ich müsste noch die Spülmaschine ausräumen, den Termin einstellen, ein Geburtstagsgeschenk besorgen und im schlimmsten Fall schnell noch was auf dem Handy gucken. Und schon bin ich zwar körperlich noch anwesend, aber meine Gedanken sind schon wieder ganz woanders. Mit welchem Ergebnis? Ich stresse mich selber, die Arbeit erledigt sich doch nicht alleine durchs Drandenken und ich bin so unaufmerksam, dass ich vollkommen verpasse, was gerade direkt vor mir passiert.
Und schon sind wir beim Thema Achtsamkeit. Der Kunst, im Moment zu leben, aufmerksam zu sein und mit allen Sinnen da zu sein. So einfach das auch klingen mag, so schwer finde ich es umzusetzen.
Schon länger habe ich das Thema im Kopf, aber wirklich beschäftigt damit habe ich mich nur halbherzig. Leider.
Heute durfte ich mir einen tollen Vortrag dazu anhören. Und ich habe mich geärgert, dass ich nicht Papier und Stift zur Hand hatte, um mir so viele schlaue Sätze und Gedanken aufzuschreiben, die Frau Bergamelli uns vorgestellt hat. Einer davon ist die Überschrift meines Beitrags: „Der Gedanke an einen Apfel ist kein Apfel.“ So simpel und so wahr. Und so schwer im richtigen Moment parat zu haben.
Wie oft werde ich nachts wach und dann geht das Gedankenkarussell los…alle möglichen Horroszenarios kann ich mir lebhaft vorstellen und mich selber damit in Angst und Schrecken versetzen. Aber auch bei Tageslicht ist das nicht schwer: Angst, dass den Kindern was passieren könnte, dass einer meiner lieben Menschen krank werden oder einen Autounfall haben könnte und vielerlei mehr. Was bringt mir das? Nichts. Ich kann nichts verhindern, mache mir das Hier und Jetzt kaputt, in dem es allen glücklicherweise gut geht und vor allem denke ich, dass sich meine innere Unruhe auch auf mein Umfeld überträgt und im schlimmsten Fall auch meine Kinder zu ängstlichen Menschen macht. Und dann gibt es natürlich noch die self-fulfilling prophecies, aber das lasse ich jetzt mal nur als Denkanstoß stehen.
Zurück zum Apfel: Der Gedanke an einen Apfel/Krankheit/Unfall… ist noch kein Apfel/Krankheit/Unfall…. Ist das nicht wunderbar? Und gut zu wissen? Und beruhigend noch dazu? Aber hallo! Sich das erstmal bewusst zu machen, finde ich schonmal einen guten Anfang. Und einen Tip, schnell wieder ins Hier und Jetzt zurückzukommen, gibt es auch schon: Konzentration auf den Atem und die Gedanken einfach weiterziehen lassen. Denn was sonst steht mehr für das, was jetzt gerade passiert. Ich habe das schon öfter probiert und bin jetzt sehr motiviert, das noch viel öfter bewusst in meinen Alltag einzubauen.
Jetzt beim Schreiben kommen mir noch mehr Ideen, aber dazu ein anderes Mal mehr. Ich werde den Satz jetzt erstmal in meinen Karteikartenkalender eintragen und danach ganz achtsam die Golden Girls gucken. Ohne Laptop auf dem Schoß und Handy in der Hand.
Habt eine schöne Woche!
Klasse Beitrag. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei der Achtsamkeitsübung. Habe auf meiner WEB-Seite auch noch ein paar Inspirationen.
Mit herzlichen Grüßen
Peter Kayser
Ein interessanter Beitrag. Ich lese in letzter Zeit auch viel über Achtsamkeit und merke, dass das offensichtlich ein wichtiges Thema in den sozialen Netzwerken ist. Irgendwie haben alle eine Sehnsucht nach Entschleunigung, echten Erlebnissen und irgendetwas, das bleibt. Das kann ich verstehen und ich finde es gut. Allerdings habe ich Zweifel daran, ob wir das, was wir so dringend suchen, in uns selbst finden. All die Schlagworte die gerade Trend sind sollen dazu führen, dass ich auf mich selbst und meine Bedürfnisse achte, dass ich mich nicht ausnutzen lasse und nein sagen lerne. Das Ziel soll wohl sein, weniger Stress zu haben. Aber ist das auf diesem Weg erreichbar? Wenn ich permanent darüber nachdenken muss, was ich jetzt gerade will und was mir jetzt gerade gut tut, dann ist das auch Stress. Für mich bedeutet Achtsamkeit genau das Gegenteil. Ich möchte achtsam mit den Menschen um mich herum umgehen. Ich möchte sehen, was Andere für Bedürfnisse haben und sehen, ob ich ihnen dienen kann. Das hat nichts mit Selbstaufgabe zu tun. Natürlich lehne ich Dinge ab, wenn ich keine Zeit habe und mein liebstes Hobby, das Nähen, wird nicht zur Änderungsschneiderei für Andere umfunktioniert. Aber ich habe die Erfahrung gemacht, dass es weitaus erfüllender ist, sich um die Bedürfnisse der anderen zu sorgen als um die eigenen. Und ich habe die Erfahrung gemacht, dass es mir an nichts mangelt wenn ich meinen Fokus von mir weg auf Andere lenke. Mein Vorbild dabei ist ein Mann in einem uralten Buch, der nicht mal Ruhe hatte zu trauern, als sein Cousin ermordet wurde. Er wollte sich gerade zurückziehen um zu trauern, als er schon wieder von Menschen umringt war, die ihn brauchten. Und er konnte nicht anders als für sie da zu sein. Seine Ruhe hatte er dann erst in der Nacht. Und diese Zeit nutzte er dann zum Auftanken. Das, finde ich, ist wahre Achtsamkeit. Wenn dieser Mann sich in dem Moment zurück gezogen hätte, wäre vielen Menschen nicht geholfen worden. So hat er darauf vertraut, dass er später Zeit zum Auftanken finden würde und alles kam zur rechten Zeit.
Also plädiere ich eindeutig dafür meinen Fokus auf die Achtsamkeit zu lenken, die anderen dient und nicht mir selbst.
Liebe Grüße
Anne
Der Beitrag ist zwar schon ein paar Wochen alt, aber ich habe ihn gerade erst entdeckt und er ist so wunderschön und weise geschrieben, dass er einen kleinen Kommentar als Dank verdient. Ein kleiner Trick noch zum Gedankenloswerden: Schreib den Gedanken auf ein kleines Stück Papier, falte ihn einmal, zweimal, klitzeklein und steck ihn in die Hosentasche. Dann ist er immer noch da, ganz nah sogar, aber er ist nicht mehr im Sichtfeld und behindert dich nicht mehr beim schöne-Dinge-Tun. Hilfreich ist auch sich bewusst zu werden, wie viele Gedanken wir so am Tag durch unseren Kopf rauschen lassen. Und das alles passiert automatisch, Kontrolle Fehlanzeige. Es sind 70.000, d.h. alle 1,3 Sekunden kommt ein neuer Gedanke. Ein beängstigender Gedanke ist also nur einer von ganz vielen Gedanken, die wir so am Tag haben. Einer von 70.000. Ziemlich unbedeutend eigentlich. Wenn wir ihn nicht selbst und aktiv bedeutender machen als er tatsächlich ist 😉